Der Selection Bias hat längst nicht nur für die Forschung große Relevanz. Im unternehmerischen Leben, ja sogar im privaten Alltag, selektieren wir ebenfalls Informationen oder bekommen bereits selektiv verzerrte Daten präsentiert. Auch kognitive Verzerrungen leisten einen großen Beitrag dazu, dass wir schon bei der Auswahl Fehler machen, die dann ein Ergebnis zwangsläufig verfälschen.
Die immer wieder auftretenden Stichprobenverzerrungen zeigen klar, dass wir nicht unvoreingenommen sind, sondern viel Arbeit investieren müssen, um uns einem Status der Unvoreingenommenheit zumindest anzunähern. Die folgenden Beispiele für den Selection Bias zeigen die weitreichenden Implikationen einer Stichprobenverzerrung.
Im ersten Beispiel soll eine Umfrage zur allgemeinen Markenbekanntheit eines gesunden Nahrungsergänzungsmittels durchgeführt werden. Wenn die Umfrage in Fitnessstudios, im Reformhaus oder im Biosupermarkt durchgeführt wird, befragt man die Zielgruppen der Produkte. Dies kann sinnvoll sein. Das Ergebnis der Marktforschung ist dann aber in jedem Fall mit Vorsicht zu genießen, denn der Selection Bias hat bereits zugeschlagen: Die Personen, die Fitnessstudio, Reformhaus oder Biosupermarkt besuchen, sind in der Regel empfänglicher für die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit gesunder Produkte. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Markenbekanntheit in diesen Personengruppen höher ist – und diese entsprechend nicht neutral gemessen wurde.
Das zweite Beispiel für den Selection Bias zeigt, welch weitreichende Folgen der Verzicht auf eine echte Zufallsauswahl haben kann. Wirtschaftsforscher sollen eine Umfrage zur Konjunktur machen, die möglichst repräsentativ für alle Unternehmen des Landes ist. Die Auswahl der Daten erfolgt aber auf Basis des Handelsregisters und der dort eingetragenen Kapital- und Handelsgesellschaften. Der Selection Bias ist hier sogar noch größer, als man auf den ersten Blick vermuten könnte: Es werden nämlich durch die Verzerrung der Stichprobe nicht nur Kleingewerbetreibende ausgeschlossen, sondern auch zahlreiche erfolgreiche Freiberufler (z. B. Anwälte, Ärzte, Architekten), Künstler und Nebenberufler aller Branchen.
Dieses Beispiel ist offensichtlich – erfahrenen Forschern wird ein solcher Fehler nicht unterlaufen. Viele kleinere Stichprobenverzerrungen können sich aber aufsummieren und damit selbst eine so wichtige Zahl wie die Konjunkturprognose für ein Land stark verfälschen.